Die EU möchte über die Lenkung der Kapitalströme erreichen, dass nachhaltige Wirtschaftsbereiche und Produktionsverfahren unterstützt werden. Ziel: Die EU-Wirtschaft soll bis 2050 klimaneutral sein. Der Fondsbranche als bedeutende Kapitalsammelstelle kommt damit eine Schlüsselrolle zu, die sie gerne wahrnimmt. Schon seit Jahren finanziert sie Projekte und Unternehmen, die nachhaltig aufgestellt sind. Bereits 2012 hat der BVI „Leitlinien für verantwortliches Investieren“ eingeführt.
Die EU-Gesetzgeber haben zwar eine Flut von Detailregelungen verabschiedet, aber bisher keine allgemein gültigen Definitionen dafür festgelegt, was ein nachhaltiges Produkt ausmacht. Die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung (SFDR) regeln bisher lediglich Transparenzpflichten. Der BVI unterstützt daher die Erwägungen der EU-Kommission, ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Produkte einzuführen. Diskutiert wird unter anderem eine Produktkategorie für die nachhaltige Transformation. Damit wären Anleger in der Lage, Fonds, die in grüne Vermögenswerte investieren, von solchen zu unterscheiden, die den Übergang von braunen zu grünen Geschäftsmodellen unterstützen. Zudem könnte dies Diskussionen um Grünfärberei eindämmen.
Gegen potenzielle Grünfärberei hat die EU-Behörde ESMA im Mai 2024 Leitlinien für ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Zusätze in Fondsnamen veröffentlicht. Die Leitlinien sollen helfen, irreführende Fondsbezeichnungen zu verhindern. Für die Nutzung nachhaltigkeitsbezogener Wortbestandteile wie „ESG“, „nachhaltig“ und „Impact“ hat die ESMA eine Mindestschwelle von 80 Prozent der Investitionen festgelegt, die zur Erreichung ökologischer, sozialer oder nachhaltiger Merkmale bzw. Anlageziele dienen sollen. Die Leitlinien enthalten auch einheitliche Ausschlusskriterien für verschiedene Begriffe, die in Fondsnamen enthalten sind.
Ebenfalls ein wichtiger Schritt zu klareren Kriterien und zur Steigerung der Qualität nachhaltiger Anlageprodukte ist die Regulierung der ESG-Ratinganbieter. Im April 2024 hat das EU-Parlament die ESG-Rating-Verordnung verabschiedet. Danach unterliegen Anbieter von ESG-Ratings künftig der zentralen Zulassung und Aufsicht durch die ESMA. Ein zentraler Verhandlungspunkt war der Umgang mit internen ESG-Ratings, die von Fondsgesellschaften für Zwecke eigener Produkte und Dienstleistungen erstellt werden. Der Kompromiss sieht nun zusätzliche Offenlegungspflichten über die Methoden solcher interner ESG-Ratings vor, wenn sie im Rahmen von Werbung an Dritte kommuniziert werden.
Seit August 2022 müssen Anlageberater ihre Kunden zu deren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen und passende Produkte anbieten. Dafür sind für Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen (gemäß Artikel 8 und 9 der SFDR) bestimmte Produkteigenschaften verpflichtend. Jedoch erschwert das Fehlen von Details und Standards die Beratung. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Deutschen Kreditwirtschaft und dem Bundesverband strukturierter Wertpapiere BSW ein Zielmarktkonzept zur Nachhaltigkeit entwickelt, das dem deutschen Markt einen verlässlichen Mindeststandard bietet und in Europa bislang einmalig ist.
Trotzdem bleibt ein großer Auslegungsspielraum mangels eindeutiger Vorgaben des Regulators. Schwierigkeiten bereitet unter anderem die Bestimmung der Nachhaltigkeitsquoten auf Fondsebene, denn es fehlen verbindliche, einheitliche Berechnungsmethoden. Das kann dazu führen, dass Produkte, die eine ähnliche Investmentstrategie verfolgen, deutlich abweichende Anteile nachhaltiger Investitionen ausweisen. Dies erschwert das Verständnis beim Berater und Anleger und macht die Anlageberatung zur Nachhaltigkeit sehr komplex. Klare Standards und die Einführung von Produktkategorien zur Nachhaltigkeit können auch hier in Zukunft Abhilfe schaffen.
Ende des zweiten Quartals 2024 hielten deutsche Anleger 982 Mrd. Euro in Fonds gemäß Artikel 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung. Rund drei Viertel davon entfielen auf Publikumsfonds.